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Erhalt und Entwicklung von Kaltluftentstehungsgebieten und –leitbahnen

Kaltluft ist die geländeklimatisch wichtigste Erscheinung in Thüringen, da sie überwärmte Siedlungskörper des Nachts abkühlt und überwiegend unbelastete Frischluft liefert. Kommunen sollten dieses Potenzial ausschöpfen und Kaltluftentstehungsgebiete in der Stadt und im Umland erhalten und ausbauen sowie der Kaltluft den Weg in thermische Belastungsgebiete im Sinne eines klimagerechten Flächenmanagements freihalten.

Wiesen sind sehr gute Kaltluftproduzenten (Bildquelle: Depositphotos.com)

Abb. 1: Wiesen sind sehr gute Kaltluftproduzenten

(Bildquelle: Matthias Mann/ThINK)

Kaltluft entsteht nachts über natürlichen bzw. naturnahen Oberflächen durch Abstrahlung von Wärme. Die Abkühlung der Oberfläche erfasst auch die bodennahe Luftschicht. Dieser Prozess ist über Flächen mit niedriger Vegetation am effektivsten (z. B. über Grünland, Acker-, Brach- und Gartenland). Höhere Pflanzendecken (z. B. auf landwirtschaftlichen Flächen) erzielen niedrigere Produktionsraten. Wald trägt v. a. aufgrund seines Volumens zur Kaltluftmenge bei. Bebaute bzw. versiegelte Flächen besitzen aufgrund ihres hohen Wärmespeichervermögens nur ein sehr geringes bis gar kein Kaltluftproduktionsvermögen.

Das Gros der Kaltluft entsteht während windschwacher und wolkenarmer Wetterlagen im Umland einer Siedlung, wird aber auch im Siedlungskörper produziert, z. B. in Park- und Kleingartenanlagen, auf Stadtbrachen, Zeltplätzen und Friedhöfen. Um vom Ort ihrer Entstehung zu den thermischen Belastungsgebieten zu gelangen, benötigt Kaltluft Leitbahnen. Da sie langsamer  fließt als Wasser, müssen diese relativ flach an Sohle und Rändern sein sowie eine gewisse Neigung (> 1°) und nur wenig Hindernisse aufweisen. Soll Kaltluft gleichzeitig als Frischluft die städtische Luftqualität verbessern, muss der Kaltluftzufluss frei von Emissionsquellen sein. Aus dem Umland gelangt Kaltluft z. B. über linear verlaufende Freiflächen mit niedriger Pflanzendecke, wie offene Rasen- und Wiesenflächen mit nur wenigen Strauch- und Baumgruppen, in die Stadt. Innerstädtische Leitbahnen sind u. a. breite Straßen und Wasserläufe.

Kommunen sollten Kaltluftgebiete und -leitbahnen planerisch sichern und ausbauen. Basale Schritte hierfür sind:

  • Analyse und Identifizierung der Kaltluftdynamik (Entstehungsgebiete/Abflussbahnen)
  • Analyse städtischer Überwärmungsbereiche
  • Erhalt und/oder Anlage regulierender Kaltluftleitbahnen aus dem Umland
  • ggf. Anpassung der Bebauung im Umland/Stadtrand (keine hangparallelen Riegel, keine geschlossene Stadtrandbebauung)
  • Erhalt und/oder Anlage von Durchlüftungsschneisen im Siedlungskörper
  • Freihalten der Leitbahnen von Luftverunreinigungen
  • Sicherung des Abtransports belasteter Stadtluft durch entsprechende Leitbahnen

Der Erhalt und die Entwicklung von Kaltluftentstehungsgebieten sowie -leitbahnen muss zunehmend als eine langfristige Aufgabe der Kommunalentwicklung bzw. -planung sowie assoziierter Umweltbehörden verstanden werden. Die Grundlage hierfür bildet ein gemeinsamer Konsens unter den Verwaltungsakteuren über die aktuellen Erfordernisse zur Klimaanpassung. Dabei muss das Thema Kaltluft v. a. in Bebauungsplänen stärker berücksichtigt werden, z. B. durch:

  • Klimaanalysekarten, Klimafunktionskarten, Planhinweiskarten, Beipläne für ökologische/klimatische Baubeschränkungsbereiche
  • daraus abgeleitet ein stadtweit gültiges Konzept zur Klimaanpassung/Klimaschutzplan
  • daraus abgeleitete konkrete Beiträge der LandschaftsplanungEnergie- und Klimaschutzkonzepte für neue Baugebiete
  • kommunale Verordnungen/Satzungen (z.B. nach § 88 ThürBO)
Schema Kaltluft in der Stadtplanung (Bildquelle: Städtebauliche Klimafibel – verlinken mit www.staedtebauliche-klimafibel.de)

Abb. 2: Schema: Kaltluft in der Stadtplanung

(Bildquelle: Städtebauliche Klimafibel)

Außerdem können naturschutzrechtlich festgesetzte Eingriffs-Ausgleichsflächen, die Vergabe von Ökopunkten für freiwillige Maßnahmen sowie das Steuerungsinstrument des städtebaulichen Vertrags nach § 11 BauGB zur Förderung und besseren Vernetzung der Kaltluft und ihrer Entstehungsgebiete genutzt werden.

Bewertung der Maßnahme hinsichtlich wesentlicher Parameter
Spidergrafik zur Bewertung der Maßnahme mit den Parametern Wirkung, Wirtschaftlichkeit, Gestaltung, Akzeptanz, Biodiversität und Nachhaltigkeit

Erläuterung:

■  rot/orange: schlecht bzw. Verschlechterung, negativer Einfluss
■  gelb: neutral bzw. nicht relevant, kein/kaum Einfluss
■  hellgrün: gut bzw. geringfügiger positiver Einfluss
■  grün: sehr gut bzw. positiver Einfluss
■  dunkelgrün: ausgesprochen gut bzw. deutlicher positiver Einfluss

Parameter:

Wirkung: Effektivität der Maßnahme im Sinne der Klimaanpassung
Wirtschaftlichkeit: Kosten-Nutzen-Verhältnis (Initial- und Folgekosten)
Gestaltung: Raumwirkung, Beeinflussung des Lebensumfelds
Akzeptanz: Beeinflussung der Lebensqualität, mögliche Widerstände
Biodiversität: Beeinflussung der Artenvielfalt/Lebensräume
Nachhaltigkeit: Langlebigkeit/Beständigkeit, Ressourceneffizienz

Ansprechpartner

Kompetenzzentrum Klima
(https://tlubn.thueringen.de/klima/klimaagentur)

Thüringer Energie- und GreenTech-Agentur GmbH (ThEGA) (www.thega.de)
Die ThEGA hat sich im Rahmen des Projektes „Entwicklung von Klima-Adaptionsstrategien und -technologien in Thüringen (KlimAdapTIT)“ teils vertiefend mit Möglichkeiten zur Hitzeprävention
auseinandergesetzt: www.thega.de/klimadaptit

Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft
(www.thueringen.de/th9/tmil/)

Thüringer Landesverwaltungsamt
(www.thueringen.de/th3/tlvwa/index.aspx)

Förderung

Thüringen

Städtebauförderung
(https://www.staedtebaufoerderung.info/DE/Startseite/startseite_node.html)

Bund

Förderung von Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel (Projektträger Zukunft-Umwelt-Gesellschaft (ZUG) gGmbH
(https://www.z-u-g.org/aufgaben/foerderung-von-massnahmen-zur-anpassung-an-den-klimawandel/)