Gutes Beispiel: Öffentliche Grünfläche Rietzschke-Aue Sellerhausen in Leipzig
Beispiel für Handlungsmöglichkeit: Kleinere Fließgewässer; Umgang mit Überflutungshotspots; Entsiegelung, Regenwasserrückhaltung, Versickerung und Verdunstung
Im Jahr 2018 verabschiedete der Leipziger Stadtrat das Integrierte Stadtentwicklungskonzept Leipzig 2030 (INSEK). Darin werden folgende klimarelevante Ziele für die Stadt Leipzig benannt:
- Freiraum und Umwelt: Verbesserung der Erreichbarkeit und Vernetzung von Frei- und Lebensräumen, nachhaltige Klimaanpassungsmaßnahmen entwickeln und umsetzen und Minimierung der städtischen Umweltbelastung
- Nachhaltige Mobilität: Realisierung einer intelligenten Vernetzung der Verkehrsangebote durch smart mobility mit der Reduzierung aller negativen Wirkungen des Verkehrssektors auf Mensch und Umwelt
- Klimaschutz und Technische Infrastruktur: Verwirklichung einer nachhaltigen Stadtentwicklung mit den zentralen Aspekten der Energie- und Wärmewende und des Klimaschutzes
- Gesundheit: Schaffung und Vernetzung von Frei- und Lebensräumen mit Sport- und Bewegungsangeboten sowie Luftqualitätsverbesserung und Emissionsminderung
Im Rahmen dieser ambitionierten Zielstellungen wurde das Projekt „Rietzschke-Aue Sellerhausen Leipzig“ entwickelt.
Anlass dieses Projekts war die häufige Überflutungssituation des ehemaligen Bachlaufes Östliche Rietzschke, der im Osten Leipzigs zu großen Teilen verrohrt oder überbaut als Entwässerungsgraben Sellerhausen verlief und somit die anfallenden Wassermassen bei Starkregen nur bedingt ableiten konnte und in seiner Funktion als naturnaher Vorfluter stark eingeschränkt war. Dadurch kam es bei Starkregenereignissen stets zu Überflutungen der anliegenden Parzellen einer Kleingartenanlage.
Das wesentliche Ziel des Projektes an der Rietzschke-Aue Sellerhausen ist es, einen zentrumsnahen Freizeit- und Erholungsraum zu schaffen (Abbildung 1), welcher im Falle eines Starkregenereignisses als großräumiger Retentionsraum zur Verhinderung/Minderung von Schäden durch Überflutungen fungiert.
Abb. 1: Lageplan der öffentlichen Grünfläche Rietzschke-Aue Sellerhausen
Abb. 2: Baumaßnahmen an der öffentlichen Grünfläche Rietzschke-Aue Sellerhausen
Mit der Umsetzung wurde im Jahr 2020 begonnen (Abbildung 2), wobei mehrere unterschiedliche Maßnahmen/Bauabschnitte realisiert werden sollen:
Maßnahme „Rückbau“: Die von den Überschwemmungen häufig betroffenen Parzellen des Kleingartenvereins Sellerhausen e. V. wurden zurückgebaut, wodurch eine größere Überflutungsfläche entstanden ist. Außerdem erfolgte in dem Bereich die Öffnung des verrohrten Entwässerungsgrabens Sellerhausen.
Maßnahme „Neubau Gewässer“: Zum einen soll ein neuer, geschwungener Wasserlauf mit naturnahem Gewässerprofil geschaffen werden. Zum anderen sollen mehrere Baulichkeiten errichtet werden. Dazu zählt ein Durchlassbauwerk zur Gewässerüberquerung für Fußgänger, Radfahrer und Pflegefahrzeuge und ein steuerbares Ablassbauwerk zur Regulierung der Wasserabgabe im Hochwasserfall an den neu angeschlossenen Hauptsammler der örtlichen Wasserwerke. Bei lang anhaltenden Niederschlägen kann sich die Östliche Rietzschke bis zu 50 cm mit Wasser füllen bzw. können die Wassermengen über die Ufer treten und über die große, freie geschaffene Fläche allmählich ins Erdreich versickern und somit zurückgehalten werden oder in die Atmosphäre verdunsten. Dadurch werden Kanalisation und nachgeschaltete Gewässer bei starken Regenereignissen nachhaltig entlastet.
Maßnahme „Neubau Aue bzw. eines Naturerlebnisraumes als öffentliche Grünfläche“ (Abbildung 3): Die Planung sieht die Anlage großflächiger, naturnaher und extensiv zu pflegenden Langgraswiesen sowie mehrere Sandlinsen vor, die als Lebensraum insb. für Sandbienen fungieren sollen, wobei zugleich eine Vernetzung mit dem angrenzenden und nach §30 BNatSchG geschützten Sumpfwaldgebiet erreicht werden soll. Die Bepflanzung der Aue erfolgt mit typischen einheimischen sowie klimaresistenten Gehölzarten.
Naturraumerfahrung und Erlebnispädagogik nehmen einen großen Stellenwert im Planungskonzept ein. Für Kinder und Jugendliche werden Angebote für freies Spielen integriert und für den benachbarten Schulcampus ist in der Rietzschke-Aue ein grünes Klassenzimmer vorgesehen. Der geplante Artenschutzturm wird vielfältige Brut- und Schlafquartiere für unterschiedliche Arten von Wirbellosen und Wirbeltieren bereithalten (Artenmonitoring durch den NABU Leipzig).
Für die Baufeldfreimachung, d. h. die Flächenberäumung der einzelnen Kleingartenparzellen, die Planung und die Realisierung im Los 1 – Wasserbau fallen Kosten in Höhe von rund 908.000 € an. Diese beiden Arbeitspakete sind inzwischen vollständig realisiert. Im Bereich Garten- und Landschaftsbau existiert ein Bau- und Finanzierungsbeschluss der Stadt Leipzig über 973.000 €, der die Baukosten, die Baunebenkosten (z. B. Planerhonorar) sowie die an den Bau anschließende Entwicklungspflege umfasst. Die Fertigstellung der Fläche im Los 2 erfolgt mithilfe von EFRE-Fördermitteln (Europäischer Fonds für regionale Entwicklung) bis Anfang des vierten Quartals 2021. Über weitere eingeworbene Drittmittel i. H. v. ca. 91.000 € werden Artenschutzturm und Sandlinsen finanziert.
Im Rahmen einer ersten öffentlichen Informationsveranstaltung am 12.11.2019 konnten interessierte Bürgerinnen und Bürger zur Freiland- und Gewässerplanung sowie zur Östlichen Rietzschke mit den Planern und der Leipziger Stadtverwaltung in Austausch treten und eigene Ideen und Vorschläge einbringen. Das gesamte Projektvorhaben wird von der Bevölkerung sowie auch von den lokalen Medien aufmerksam verfolgt und stets neugierig und kritisch geprüft. Insgesamt wird ein überwiegend positives Feedback seitens der Bürgerschaft wahrgenommen, was die Projektentwicklung der Stadt Leipzig im Wesentlichen auf folgende Aspekte zurückführt:
- die enge Kommunikation mit dem betroffenen Kleingartenverein, der erfreulicherweise die betreffenden Flächen für das Projekt zur Verfügung stellte
- eine transparente Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie
- die Einbindung wichtiger Stadtakteure, der Zivilgesellschaft und Naturschutzverbände und Initiativen.
(Stand der Ausarbeitung/Redaktionsschluss: Mai 2021)